Renate Feyl: Die profanen Stunden des Glücks

Rezension aus Deutschland vom 12. Januar 2009 (Amazon.de)

Eigentlich sind historische ROmane nicht mein Fall, Romanbiographien erst recht nicht (weil meistens die Realität spannender ist als die Dichtung), aber diesen hier finde ich sehr gelungen.

Renate Feyl schildert weniger das Leben Sophie von La Roches als vielmehr ihre Sicht der Dinge - sicher überwiegend fiktiv, aber trotzdem lesenswert. "Sophies Welt" wäre ein guter Titel gewesen. :)

Interessant sind z. B. Sophies Ansichten über Vernunftehen oder getrennte Schlafzimmer. Heute würde wohl jeder eine Ehe mit jemandem, den man nicht liebt, schrecklich finden. Aber Sophies Meinung, daß Sympathie und Achtung für den Partner vollkommen genügen, hat durchaus etwas für sich - eine große Liebe bringt ja auch das Risiko mit sich, daß einem das Herz bricht. Und getrennte Schlafzimmer klingen auch eher unharmonisch, aber Sophie findet, daß sie im Gegenteil die Zuneigung erhalten - weil einem "die letzten Ernüchterungen" (z. B. der Anblick eines verquollenen Gesichtes kurz nach dem Aufwachen) erspart bleiben. und die Ehe von Sophie und ihrem Mann ist durchaus glücklich, sie verstehen sich gut, und Sophie kümmert sich hingebungsvoll um ihn, als er schwer erkrankt.

Einer von Sophies sympathischsten Zügen ist für mich ihr Pragmatismus - als sie fürchtet, die Französische Revolution würde auf Deutschland überschwappen, deponiert sie eine Jakobinermütze zu Hause, bereit, diese im Fall des Falles aufzusetzen. Also keine Märtyrerin, die sich opfern will, sondern eine höchst menschliche Frau, die ihre Haut retten will. So etwas ist mir lieber als Helden!

Sophie macht eine Menge durch, nicht zuletzt verliert sie fünf Kinder - nur zwei werden namentlich erwähnt, Franz und "Maxe", die beide als junge Erwachsene sterben -, und drei müssen im frühen Kindesalter gestorben sein, da acht Geburten erwähnt werden. Aber so ein Schicksal war ja leider nicht ungewöhnlich - also eine durchaus realistische Schilderung, keineswegs aus einem schlechten Roman abgekupfert.

Weniger sympathisch ist Sophies Behandlung von Tochter Lulu - anfangs ist man froh, daß sie das Mädchen wieder zu Hause aufnimmt, als Lulu vor ihrem prügelnden Ehemann flieht. Nicht selbstverständlich, vermutlich hätten die meisten Eltern damals ihrer Tochter geraten, es eben auszuhalten, da sie ja nun mal verheiratet sei. Leider verfliegt Sophies Verständnis, als Möhn (der Ehemann) auftaucht und ihr etwas vorjammert, bekommt sie Mitleid mit ihm und macht Lulu Vorhaltungen. Lulu ist eine tragische Figur, deren Schicksal deutlich zeigt, was es bedeutet hat, das Leben einer alten Jungfer zu führen - keine Aussicht auf ein selbständiges Leben mit Beruf und eigenem Geld oder die zumindest gesellschaftlich geachtete Rolle als Hausfrau und Mutter, sondern ein langsames Versauern im Elternhaus - lebendig begraben sozusagen.

Sophies Name ist meistens verbunden mit "die GRoßmutter der Brentanos", aber wahrscheinlich ist sie auch ohne ihren bekannteren Anhang interessant - der Roman macht jedenfalls Lust, "Die Geschichte des Fräuleins von Sternheim" zu lesen, auch wenn ich von einer Freundin gehört habe, daß es sich reichlich zäh liest...

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Elke Sauer: Ist das mein Kind?

Enid Blyton: Wirbel in Klasse 2 / Second Form at Malory Towers (Band 2)

Alexander Horn: Die Logik der Tat - Erkenntnisse eines Profilers