Martha Grimes: Inspektor Jury schläft außer Haus (Band 1)

Band 1 der berühmten Inspektor Jury-Reihe. Wie bei vielen Serien finde ich auch hier Band 1 mit Abstand am besten. Die über 40 Jahre, die der Roman mittlerweile auf dem Buckel hat, merkt man ihm kaum an.

Was ist passiert?

In einem idyllischen englischen Dorf geschehen kurz vor Weihnachten mehrere Morde. Drei ortsfremde Männer, die sich im Hotel einquartiert hatten, werden umgebracht. Bizarres Detail: Der Täter ist nicht nur ein Mörder, sondern auch noch ein makabrer Witzbold - er versteckt die Leichen nicht etwa, er stellt sie aus! Eine Leiche thront gar auf dem Dach des Gasthofs ...

Die Ortspolizei steht vor einem Rätsel und wendet sich an Scotland Yard. Richard Jury, alleinstehend, um die 40, reist aus London an, um die Fälle zu klären.

Jury ist ein einsamer Wolf, der ganz in seiner Arbeit aufgeht. Er freundet sich mit Melrose Plant an, einem alleinstehenden Adligen in seinem Alter, der mit Diener Ruthven und Haushälterin Martha (ja, sie heißt so wie die Autorin) auf dem Landsitz Ardry End lebt - das ist kein Problem, da Plant als einziger Dorfbewohner ein wasserdichtes Alibi hat. Ganz im Gegensatz zu seiner nervigen angeheirateten Tante Agatha - sollte die Wahl des Namens ein Seitenhieb auf Agatha Christie sein ...?

Jury nimmt die Dorfbewohner unter die Lupe und findet allerlei schmutzige Geheimnisse in deren Vergangenheit, doch der Erfolg bei der Mördersuche läßt auf sich warten. Wer kann es nur gewesen sein? Der hochnäsige Krimiautor Oliver Darrington? Seine Sekretärin Sheila? Der Gastwirt Matchett, der nach dem Tod seiner Frau schon einmal unter Mordverdacht stand? Der Pfarrer? Agatha? Die unsympathischen Bicester-Strachans? Und was bedeuten die seltsamen Notizen, die eines der Opfer, anscheinend kurz vor seinem Tod, flüchtig hingekritzelt hat?

Nach und nach fügt sich das Puzzle zusammen, und der Leser erlebt etwas, das einen guten Krimi ausmacht: Den Moment, in dem man sich fragt: Es ist doch so klar - wie konnte ich das nur übersehen?

Die Auflösung ist intelligent und überzeugend - Jury und Plant haben den Täter enttarnt, aber wie hat er es gemacht? Wieder einmal ist es der clevere Plant, der Jury auf die Sprünge hilft ...

Außerdem verliebt sich Jury Hals über Kopf in die junge Vivian Rivington - ob aus den beiden etwas wird, bleibt offen, der Leser darf hoffen. Spoiler: Die Geschichte ist auch 10 Bände später noch nicht geklärt, Vivians Nicht-Hochzeit mit einem italienischen Grafen soll offenbar zum Running gag werden, mutiert jedoch zum Ärgernis - einer der vielen Gründe, warum ich vor langer Zeit aus der Serie ausgestiegen bin. Meine Zuflucht war Elizabeth George, deren Inspector Thomas Lynley ich am Anfang genauso geliebt habe wie Martha Grimes' Richard Jury - und deren Krimi-Reihe dann das gleiche Schicksal ereilte: Immer längere und immer langweiligere Romane und das endlose Herumreiten auf einem Thema (der Kinderlosigkeit von Lynleys Ex-Freundin Deborah und deren Mann Simon St. James).

Aber hier ist ja alles noch am Anfang, die schrulligen Charaktere sind (noch!) originell und liebenswert. Sympathisch fand ich, daß die Autorin sich und ihre Zunft selbst auf die Schippe nimmt - so ist von "Darringtons schwachsinnigen Detektivgeschichten" die Rede, als es um den örtlichen Schriftsteller geht.

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