Enid Blyton: Dolly sucht eine Freundin / First Term at Malory Towers (Band 1)

Band 1 von Enid Blytons berühmter Reihe über "Dolly", die im Original "Darrell" heißt. Die Serie umfaßt insgesamt 18 Bände, doch nur 1-6 stammen wirklich aus Blytons Feder, 7-18 sind (leicht am Stil zu erkennen) von Rosemarie Eitzert, besser bekannt unter ihrem Pseudonym Tina Caspari. Wie immer lohnt es sich, das Original zu lesen, um festzustellen, was in der Übersetzung geändert wurde. Mittlerweile werden jedoch leider auch die Originale überarbeitet und gemildert, aus Schlägen mit der flachen Hand wird ein grobes Durchschütteln usw.

Die Namen der Figuren wurden in der Übersetzung eingedeutscht; warum man allerdings für die Hauptperson den in Deutschland nicht üblichen englischen Namen "Dolly" gewählt hat, erschließt sich mir nicht.

Dolly Rieder (Darrell Rivers) ist zu Beginn der Serie 12 Jahre alt und kommt in das Mädcheninternat Möwenfels (Malory Towers). In der deutschen Version kommt sie erst verspätet, weil sie zu Beginn des Schuljahres krank gewesen war, im Original kommt sie einfach zu Beginn eines neuen "term". Auch die Farben der Schuluniform wurde geändert, in der deutschen Ausgabe ist sie blau und schwarz, im Original braun und orange - das war dem Übersetzer wohl zu häßlich. Anders als viele andere Mädchenbuchheldinnen wird Dolly nicht gegen ihren Willen ins Internat gesteckt, sondern freut sich darauf und ist voller guter Vorsätze.

Trotzdem ist Dollys Start eher holprig - sie hat ein sehr hitziges Temperament und neigt zu Wutausbrüchen, ja sogar zu Gewalttätigkeit, außerdem stellt sie sich alles zu einfach vor (sie tut zuwenig für die Schule und fällt aus allen Wolken, als sie abschneidet) und leidet an einem Mangel an Menschenkenntnis (sie will sich unbedingt mit der witzigen Alice (Alicia) befreunden und erkennt erst spät, daß diese nicht so wunderbar ist, wie sie glaubt. Manchmal ist sie auch nicht besonders nett, so macht sie sich über ihre ängstliche Mitschülerin Marlies (Mary-Lou) lustig ...

Nach und nach lernt Dolly ihre Lektionen. Sie setzt sich auf den Hosenboden und büffelt, statt Streiche zu spielen, sie macht die Erfahrung, wie es ist, Angst zu haben (und versteht fortan Marlies besser), und sie erkennt, wer wahre Freunde sind - nämlich jene, die auch zu einem halten, wenn man in Schwierigkeiten ist.

Insgesamt ein gutes Buch, aber zu kritisieren gibt es trotzdem einiges. Da ist zum einen das Verhalten der Eltern von Dollys Freundin Susanne (Sally). Sie schicken ihre Tochter, bis dahin Einzelkind, ins Internat, als ein Baby kommt, bringen sie nicht einmal zur Bahn, kommen nicht zum Elternbesuchstag usw. - und wundern sich, daß das Mädchen eifersüchtig und unglücklich ist. Und dann Evelyn (Gwendoline), die Außenseiterin. Die Autorin behandelt sie unfair - sie hat noch nie eine Schule besucht und so wenig Ahnung vom Schulbetrieb, daß sie nicht einmal weiß, daß es Zeugnisse gibt. Zu Hause wurde sie von ihrer Mutter und ihrer Hauslehrerin umsorgt und vergöttert und hatte wohl wenig bis gar keinen Kontakt mit Gleichaltrigen. Ist es da ein Wunder, daß sie Schwierigkeiten hat, sich im Internat einzuleben? Dann hat sie auch noch das Pech, gleich am ersten Tag mit Alice aneinanderzugeraten, die in der Klasse den Ton angibt. Damit ist sie zum schwarzen Schaf abgestempelt, auch die Klassenlehrerin Fräulein Pott (Miss Potts) ist nach fünf Minuten mit ihrem Urteil über sie fertig. Nun muß man zugestehen, daß sie nicht nur weltfremd ist, sondern sich auch manchmal häßlich benimmt. Aber das tun die anderen Mädchen auch, vor allem Alice, und ihr Umfeld hat kein großes Problem damit ...

Interessant ist, daß Blyton bei dieser Serie - die gleich nach "Hanni und Nanni" entstanden ist - merklich dazugelernt hat. In der älteren Serie endet nahezu jeder Band damit, daß der Bösewicht die Klasse oder gleich die Schule verlassen muß, und so braucht sie dann in jedem Buch der Reihe ein neues Biest. In der Dolly-Reihe bleibt Evelyn dem Leser die ganze Serie hindurch erhalten. Auch Dolly bewahrt ihre Ecken und Kanten fast bis zum Schluß, im Gegensatz zu den Zwillingen, die ein paar Wochen rebellieren und dann zu Hintergrundfiguren verblassen.

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