Berte Bratt: Bleib bei uns, Beate

Band 1 von Berte Bratts bekannter Reihe um die sympathische Familie Rywig. Die Hauptfigur und Ich-Erzählerin ist Beate Hettring, aufgewachsen in einem kleinen Nest in Norwegen, zu Beginn der Handlung 23 Jahre alt. Beate ist das älteste von 8 Kindern und als solches gewöhnt, zuzupacken. Daß sie allerdings nach dem Realschulabschluß, den man doch normalerweise mit 16 oder 17 Jahren macht, sage und schreibe 6 Jahre zu Hause hockt, ohne eine Ausbildung zu machen, ist nicht realistisch. Reichlich spät kommt ihren Eltern der Gedanke, daß sie Beate vernachlässigt haben und sie vielleicht mal aus ihrem Kaff herauskommen sollte. Beate ist gar nicht begeistert von der Idee, denn sie ist frisch verliebt in Axel, den Bruder einer Schulfreundin. Die Wende kommt, als Axel nach Oslo geht, um dort zu arbeiten. Jetzt will auch Beate nach Oslo ...

... und sie findet auch eine Stelle, und zwar als Haushälterin bei Dr. Rywig. Der vielbeschäftigte Arzt (38) ist Witwer und hat kaum Zeit für seine Kinder - den stillen verschlossenen Bernt (13), die lebhaften Zwillinge Sonja und Senta (11) und den verzogenen kleinen Hansemann (5). Dr. Rywigs altjüngferliche Tante Julie (65), die sich bisher um den Haushalt gekümmert hat, fährt zur Kur, und Beate merkt schnell, daß es den Kindern materiell an nichts fehlt, sie jedoch emotional vernachlässigt sind. Die junge Frau steht vor einer gewaltigen Aufgabe: Bernt aus sich herausholen, die identischen Zwillinge unterscheiden lernen, den verhätschelten Jüngsten erziehen, für Harmonie und Gemütlichkeit sorgen und aus den Rywigs eine glückliche Familie machen. Die fröhliche Beate ist genau die Richtige für diese Aufgabe, aber ohne Trubel geht es nicht ab ...

Beate hat auch noch ein eigenes Problem - es zeigt sich sehr bald, daß Axel nicht mehr an ihr interessiert ist. Endgültig klar wird es ihr bei einer der für Berte Bratt so typischen Friseur-Szenen - ihre Heldinnen erfahren häufig beim Friseur - oder bei der Post -, woran sie sind (in "Die Glücksleiter hat viele Sprossen" erfährt Sonja beim Friseur, warum ihre Nachbarinnen über sie tratschen, in "Nicole, ein Herz voll Liebe" erfährt Nicole beim Friseur, daß sie einem Betrüger aufgesessen ist). Axel hat eine andere! Hier wird mir Beate besonders sympathisch - sie erkennt die Situation und zieht einen Schlußstrich. Kein Gefackel, kein Selbstmitleid, einfach Schluß.

Natürlich kann man auch hier spitzfindig sein. Die Schuld am verkorksten Familienleben wird einzig und allein Dr. Rywigs verstorbener erster Frau gegeben, die immerhin schon 5 Jahre tot ist und sich nicht mehr verteidigen kann. Auch der Gedanke, daß zum Gelingen (bzw. Scheitern) einer Ehe zwei gehören und Dr. Rywig auch einen Anteil daran gehabt haben wird, kommt Beate nicht.

Das Buch ist, wie alles von Berte Bratt, flüssig und witzig geschrieben, sein Alter merkt man ihm nur sehr selten an - wer nicht aufißt, bekommt keinen Nachtisch, bei Ungehorsam gibt es etwas auf den Hintern, und nur Mädchen müssen im Haushalt helfen (also hier die Zwillinge - Bruder Bernt nicht, obwohl er älter ist).

Wer Norwegisch lesen kann, sollte sich die Originalausgabe ("Pålitelig ung dame fåe post" von Annik Saxegaard - so hieß die Autorin in Wirklichkeit -, antiquarisch erhältlich) besorgen. In der deutschen Version wurde nämlich eine Menge weggelassen, z. B. die beiden Gedichte, die Bernt geschrieben hat (das gute und das schlechte) und vieles mehr.

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