Alison Plowden: Two Queens in One Isle: The Deadly Relationship of Elizabeth I and Mary Queen of Scots

Rezension aus Deutschland vom 13. Dezember 2014 (Amazon.de)

Es wird wieder mal Zeit... für einen Bericht über meine beiden Lieblingsfiguren, Elizabeth I. und Mary Stuart. Wer sich mit der einen befaßt, kommt um die jeweilige Gegenspielerin nicht herum, und manche Historiker beschließen dann, Nägel mit Köpfen zu machen und schreiben gleich eine Biographie über BEIDE Widersacherinnen.

So auch Alison Plowden. Ihre Doppelbiographie über Elizabeth und Mary war schwer zu bekommen, denn ich hatte mir erst den Namen der Autorin falsch gemerkt (ich hatte sie mit der Historikerin Alison Weir verwechselt), und dann war das Buch vergriffen. Schließlich habe ich es bei Amazon gebraucht bekommen. Über die Autorin habe ich nicht allzuviel herausgefunden: Alison Margaret Chichele Plowden, 1931 - 2007, englische Historikerin, spezialisiert auf die Tudors und besonders auf Elizabeth I.

"Two Queens in One Isle: The Deadly Relationship of Elizabeth I and Mary Queen of Scots" ist 1984 erschienen und hat (Taschenbuchausgabe) 284 Seiten.

Alison Plowden beginnt mit einem weiten Rückgriff, lange vor der Geburt von Elizabeth (1533) und Mary (1542), nämlich im Jahre 1503 mit der Hochzeit von Margaret Tudor. Sie war die ältere Schwester Henrys VIII., Elizabeths Tante und Marys Großmutter und heiratete den schottischen König James IV. Diese Ehe schuf die Verbindung zwischen den Tudors und den Stuarts und die Verwandtschaft zwischen Elizabeth und Mary, die zu einer gefährlichen Rivalität zwischen den beiden führte. Henrys VIII. Schwestern, sowohl die ältere als auch die jüngere, sind übrigens zwei interessante Figuren, die in ähnlich viele Liebes- und Eheabenteuer verstrickt waren wie ihr viel bekannterer Bruder - das muß in der Familie gelegen haben.

Elizabeth und Mary waren also Tante und Nichte zweiten Grades, nicht Cousinen, wie meistens gesagt wird. Siewaren Nachbarinnen, die eine Königin von England und die andere von Schottland, und durch die Verwandtschaft hatte Mary Anspruch auf den Thron von England. Sie war eine ernste Gefahr für Elizabeth und beging den schweren Fehler, sich nach England zu begeben, wo sie fast 20 Jahre gefangengehalten und schließlich wegen Teilnahme an einer Verschwörung gegen Elizabeth hingerichtet wurde.

Elizabeth I. (Plowden nennt sie meistens Elizabeth Tudor) und Mary Stuart (Plowden bevorzugt die Schreibweise "Stewart") sind so bekannte Figuren, daß sogar jemand wie ich, der nie müde wird, über sie zu lesen, sich fragt: Gibt es noch etwas Neues über die beiden? Ist nicht alles längst gesagt? Ja - aber eben nicht von allen!

Alisons Plowdens vergleichsweise schmales Bändchen ist etwas Besonderes. Die große Leistung der Autorin besteht m. E. vor allem darin, was sie NICHT sagt. Zum einen hält sie sich sehr an unwidersprochene Fakten und vermeidet endlose Spekulationen und zweifelhafte Interpretationen. Ein Thema, dem ich bei allen Werken über Mary Stuart mit Grauen entgegensehe, sind die sogenannten "Kassettenbriefe", die berühmten "Casket Letters" - eine Sammlung von Briefen, über deren Inhalt, Echtheit und Wahrheitsgehalt Historiker seit Jahrhunderten streiten. Alle Diskussionen über das Thema sind vollkommen müßig, da die Originale verschwunden sind und nur noch Abschriften existieren, und deswegen finde ich alle diesbezüglichen Diskurse ermüdend. Man stelle sich daher meine Erleichterung vor, als Alison Plowden das Thema in einem Satz abhandelt: "Controversy over the Casket Letters (...) is still very much alive, but as the original documents (...) vanished during the fifteen-eighties, the question is never likely to be resolved now." Ähnlich kommentiert sie ein anderes sehr umstrittenes Thema, nämlich die Umstände, unter denen Robert Dudleys Frau Amy Robsart zu Tode gekommen ist und über die es die wildesten Spekulationen gibt.

Der Doppelbiographie ist anzumerken, daß Alison Plowden über Elizabeth mehr weiß als über Mary Stuart, weil sie sich mit Elizabeth deutlich gründlicher befaßt hat. Aber sie vermeidet einen Fehler, den die meisten Historiker machen, nämlich den, für eine der beiden Partei zu ergreifen. Wer eine Elizabeth-Biographie liest, muß mit folgender Argumentation rechnen: "Elizabeth ließ Mary hinrichten, weil Mary in eine Verschwörung gegen sie verstrickt war." Marys Biographen schreiben dagegen: "Mary war nur an der Verschwörung beteiligt, weil Elizabeth sie ohne rechtliche Grundlage gefangenhielt." Und so weiter... Wer sich auf solche Argumentationen einläßt, dreht sich unweigerlich im Kreis. Alison Plowden verzichtet darauf, diesen Weg zu beschreiten, und schildert einfach die Umstände, in denen sich die beiden Kontrahentinnen befunden haben - und die Lage, die tatsächlich ausweglos war. Ich kenne keinen anderen Historiker, dem das gelungen ist.

Ein so nüchternes Werk - der dramatische Untertitel läßt etwas ganz anderes vermuten - ist natürlich stellenweise etwas trocken. Aber das kann man verschmerzen, vor allem, weil die Trockenheit immer wieder durch Plowdens - ebenfalls trockenen - Humor gemildert wird. Elizabeths hartnäckige Weigerung, einen Nachfolger zu benennen - mit der Begründung, daß das Volk immer die gegenwärtige Regierung ablehne und sich etwas Neues wünsche -, kommentiert sie so: "Many a politician since has learnt to his sorrow the truth of that particular piece of Elizabethan wisdom."
Ein so dünnes Buch geht natürlich auch nicht allzusehr in die Tiefe. Aber wer einen ersten Überblick, eine Zusammenfassung oder einen guten Einstieg in das Thema sucht, wer keine Zeit für oder keine Lust auf dicke Wälzer hat und sich nicht für Spekulationen interessiert, ist hier genau richtig!

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